Die Schneiderkate
Die Schneiderkate in Saselheide
Ein Beitrag von Heiz Waldschläger ...
Auf dem Kartenausschnitt aus dem Jahre 1910 ist die nahe Umgebung mit den Grenzen der damaligen hamburgischen Exklaven Volksdorf und Berne (dunkle Linien) dargestellt. Der Fuhrweg, der beide Ortschaften miteinander verbunden hatte, war von alters her durch einen nur 270 Meter breiten holsteinischen Geländestreifen mit der überlieferten Flurbezeichnung Saselerheide unterbrochen.
Die Saselheide
Der vor 100 Jahren noch preußische Landstrich beiderseits des vorerwähnten Fuhrweges gehörte, wie man dem üblich gewordenen Ortsnamen Saselheide entnehmen möchte, keineswegs zu Sasel; es handelte sich vielmehr um eine sackartige Ausbuchtung der damals noch stormarnischen Gemeinde Meiendorf. Dieser eigenartige Umstand beruht darauf, dass die dortige Heidelandschaft in früheren Zeiten den Bauern sowohl aus Sasel als auch aus Meiendorf gemeinsam als Viehtrift diente. Später erhielt die Gemeinde Meiendorf den größeren Teil dieser Weideflächen. Die Grenzziehung ist seit dem 1. April 1938, dem Inkrafttreten des Groß-Hamburg Gesetzes gegenstandslos geworden. Heute gehört die Saselheide vernünftigerweise zum Ortsteil Farmsen-Berne.
Die Schneiderkate
Die Bauern aus Volksdorf waren auf die Straßenverhältnisse in Saselheide zu keiner Zeit gut zu sprechen. Weder der Amtmann von Trittau, dem Meiendorf in dänischen Zeiten unterstanden hatte, noch die preußische Gemeinde waren sonderlich daran interessiert, Straßenbaukosten zum überwiegenden Vorteil hamburgischer Bürger aufzuwenden. Der Ärger erreichte seinen Höhepunkt, als sich dort eine Gastwirtschaft erfolgreich etabliert hatte. Jetzt fühlte man sich auch noch von den Nachbarsleuten übervorteilt. Denn etliche Sonntagsausflügler, die zu jener Zeit bei guter Witterung scharenweise mit ihren Pferden und Fuhrwerken aus der nahen Stadt angeritten oder angefahren kamen, um sich einige Stunden am Volksdorfer Wald zu erfreuen, legten in der "Schneiderkathe" des Johannes Kohmann gerne einen Zwischenaufenthalt ein.
Die Schneiderkate war kein ausgesprochenes Speiselokal, aber ein gutes Frühstück gab es neben dem Holsten-Bier allemal. Jedenfalls ist aus den alten Zeiten noch eine Serviette mit dem Aufdruck: "Guten Appetit!" vorhanden.
Das zweistöckige, mit einem leicht geneigten Satteldach versehene Gaststättengebäude hat sich bis 1962 linkerhand an der Ecke des Berner Heerweges und der Saseler Straße befunden. Es entsprach der damals üblichen verputzten Bauweise mit klar gegliederten Fensterreihen und den zur Auflockerung der straßenseitigen Längsfront dienenden senkrechten und leicht hervorstehenden sowie quadratisch unterteilten Zierbändern.
Die doppelflügelige, mit einer scheppernden Bimmel versehene Eingangstür führte auf einen Flur, von dem der Gast rechts in die Wirtsstube gelangte. Den wenig beredten, aber stets eine Zigarre schmauchende Wirt fand er während der ruhigen Tageszeiten an einem der Tische sitzend oder sonst hinter der gegenüber liegenden Theke stehend vor. Seine Großnichten und -enkel erinnern sich noch recht gut daran, dass ihr Onkel sich ausschließlich mit den Getränken befasste. Die Krüge holte er aus dem großen Schrank, der die gesamte Wand hinter dem Tresen ausfüllte, und stellte sie unter den Zapfhahn aus Porzellan. Waren dieselben ausreichend mit Bier gefüllt, so streifte er den überhängenden Schaum mit einem aus Horn gefertigten Schieber ab. Die Blicke der kleinen Kinder waren gebannt auf die Uhr gerichtet, wenn diese halbstündlich die Tageszeit mit ihrem kräftigen Glockenschlag anzeigte. Aber noch interessierter schauten sie so lange auf den Glasaufsatz am Thekenende, bis ihnen daraus ein Stück Schokolade gereicht wurde. Der aktivere Teil war, wie so oft bei Wirtsleuten, die zwar kleine und buckelige, aber recht agile Großtante mit der bestickten und stets akkurat gestärkten weißen Schürze.
Die Kunden konnten an der Fensterseite der Wirtsstube oder aber in einer an der rückwärtigen Giebelwand angebauten Veranda Platz nehmen. Die Ausflügler allerdings bevorzugten bei geeigneter Witterung die draußen im schattigen und stets geharkten Garten aufgestellten Tische und Stühle. Die Reiter und Kutscher mussten jedoch, bevor sie sich etwas bestellen konnten, ihre Pferde versorgen. Sie ließen die Tiere entweder vor dem Wagen leicht eingespannt stehen oder banden sie an dem vor dem Haus angebrachten Balken fest. Sie füllten die bereitstehenden hölzernen Eimer mit Wasser und die Futtersäcke mit Hafer.
Abschließend soll angemerkt werden, dass noch weit ins vorige Jahrhundert hinein abends in der Gaststube die Petroleumlampen angezündet werden mussten und dass es in den rückwärtigen Stallungen die früher üblichen Klosetts gegeben hat. Ab 23 Uhr hatten selbst die Stammgäste, wie die Mitglieder des Sparvereins, das Haus zu verlassen. Kurz zuvor begann der Wirt damit, die Stühle auf die Tische zu stellen.
Heinz Waldschläger